
Im Winter 1923 wird das Nebelhorn bei Oberstdorf, ein unscheinbarer, doch tückischer Berg, zum Schauplatz einer Serie unheimlicher Ereignisse. Der erfahrene Hüttenwirt Karl Schädler berichtet als Erster von seltsamen Schatten, die sich nachts über den Schnee bewegen – lautlos, groß, menschlich, aber nicht lebendig. Kurz darauf erzählt eine Münchner Bergsteigergruppe von einer ähnlichen Begegnung: Eine gewaltige, formlos menschliche Gestalt erschien ihnen auf dem Gipfel und verfolgte sie, bis sie fluchtartig in die Schöllhornhütte zurückkehrten. Von da an kursiert der Name „Die Schatten vom Nebelhorn“ – und mit ihm wächst die Angst.
Innerhalb weniger Wochen häufen sich Zwischenfälle: Ein erfahrener Kletterer stürzt aus Panik, Hirten finden ihre Schafe spurlos verschwunden, ein Priester erlebt in der Nacht eine Versammlung riesiger Schatten, die nur durch helles Feuer vertrieben werden. Die Menschen beginnen, den Berg zu meiden – doch der Münchner Physiker Dr. Heinrich Richter reist an, um das Phänomen wissenschaftlich zu erklären. Statt Klarheit findet er das Unbegreifliche: In einer Nacht begegnet ihm eine bewusste Dunkelheit, „das Gegenteil von Licht“. Er kehrt gebrochen zurück und warnt die Öffentlichkeit – und löst damit Massenpanik aus.
Um den Gerüchten ein Ende zu setzen, wagt der berühmte Alpinist Otto Hessler mit vier Kameraden eine Expedition. Der Aufstieg endet im Desaster. In einem Nebel, der alles Licht verschlingt, werden sie von den Schatten umzingelt. Einer der Männer, Klaus Fischer, verschwindet spurlos – nur seine leeren Stiefel bleiben zurück. Hessler überlebt, aber seine Arroganz ist zerstört.
Im Sommer 1923 bringt der Parapsychologe Dr. Wilhelm Haupt eine erschütternde Erklärung: Die Schatten seien eine uralte Entität, gebunden an den Berg, genährt durch menschliche Lebensenergie. Um sie zu bannen, bereitet er ein gefährliches Ritual vor. Hessler, getrieben von Schuld, bietet sich als Opfer an. Auf dem Gipfel, in der Nacht der Sommersonnenwende, opfert er Blut, während Haupt uralte Worte spricht. Der Berg bebt, der Nebel reißt – die Schatten verschwinden.
Das Siegel hält. Fortan bleibt Hessler als Wächter des Nebelhorns, gebunden an die unsichtbare Grenze, die er selbst geschaffen hat. Jahrzehnte später erzählt man, der Nebel bewege sich dort oben manchmal noch – als würde etwas Altes atmen, tief unter Schnee und Stein.
Doch solange das Siegel bleibt, ruht die Finsternis.
Und solange Menschen den Berg besteigen, weiß der Schatten, dass er nicht vergessen ist.