
Am 23. März 2018 erschüttert ein grausamer Fund die Stadt Koblenz.
Auf dem Hauptfriedhof, im abgelegenen Bereich des sogenannten Pulverturms, entdecken Spaziergänger die Leiche eines Mannes. Es ist der 59-jährige Gerd Michael Straten – ein friedlicher, belesener und gepflegter Obdachloser, der seit Jahren regelmäßig auf dem Friedhof übernachtet hatte. Er lebte zurückgezogen, hielt sich tagsüber in Cafés, Bibliotheken und am Hauptbahnhof auf. Menschen, die ihn kannten, beschreiben ihn als ruhig, höflich und intelligent. Er trank kaum, nahm keine Drogen und versuchte, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Was die Ermittler am Tatort vorfanden, überstieg jede Vorstellungskraft:
Gerd Michael Straten war enthauptet worden.
Der Kopf wurde später an einem anderen Ort gefunden – wo genau, blieb aus ermittlungstaktischen Gründen geheim.
Die Polizei richtete die SOKO „Hauptfriedhof“ ein, rund 35 Beamtinnen und Beamte arbeiteten monatelang an dem Fall. Eine Belohnung von 10 000 Euro wurde ausgesetzt. Über 1 800 Hinweise gingen ein, 8 900 Personen wurden überprüft – doch der Täter blieb unauffindbar.
Mehrere Zeugen meldeten sich:
• Ein Mann mit längeren Haaren, beige-brauner Jacke und einem Fahrrad wurde am Tatabend gegen 18:30 Uhr nahe dem Pulverturm gesehen.
• Ein weiterer, sehr großer, schlanker Mann – dunkel gekleidet, mit schwarzer Sporttasche – tauchte frühmorgens und erneut am späten Abend in der Beatusstraße auf.
• Außerdem wurde von einer Person mit schwarzem Tuch oder Schleier vor dem Gesicht berichtet.
Bis heute gelten diese Personen als wichtige Zeugen.
Die Tat geschah an einem kalten, nassen Frühlingstag. Kaum Besucher, kaum Licht, ein idealer Ort für jemanden, der unbemerkt handeln wollte. Die Ermittler halten viele Details zurück, um echtes Täterwissen zu schützen – doch allein der Modus der Tötung lässt Fragen offen. Eine Enthauptung erfordert Zeit, Kraft und ein geeignetes Werkzeug. War es also eine geplante Hinrichtung? Ein Akt des Hasses? Eine Mutprobe? Oder ein Konflikt, der eskalierte?
In Online-Foren wie Allmystery wurde der Fall intensiv diskutiert.
Einige vermuteten, Straten habe möglicherweise Friedhofsdiebe überrascht.
Andere glaubten an eine sadistische Mutprobe, begangen von Jugendlichen oder mehreren Tätern.
Wieder andere sahen in der Enthauptung einen symbolischen Akt, vielleicht Ausdruck persönlichen Hasses oder psychischer Störung.
Doch ebenso wurde betont, dass Gerd Michael Straten kein typischer Obdachloser war – er gehörte nicht zur Szene, mied Alkohol, mied Konflikte. Sein Schlafplatz war nur wenigen bekannt. Wer also wusste, wo er sich aufhielt?
Ermittler sprechen bis heute von einem gezielten Angriff.
Die Kälte und Einsamkeit des Tatorts, die Mitführung eines Werkzeugs und das Risiko eines langen Aufenthalts deuten auf Vorbereitung hin.
Viele Beobachter schließen einen Täter aus der Obdachlosenszene aus – zu aufwendig, zu sauber, zu professionell.
Andere halten einen Hass- oder Vorurteils-Hintergrund für denkbar: In Deutschland werden jedes Jahr Obdachlose Opfer von Gewalt. Manche Taten geschehen aus bloßer Verachtung gegenüber Schwachen, andere aus reiner Lust am Töten.
Gerd Michael Straten hatte keine Familie vor Ort, aber Bekannte, die sich an seine Höflichkeit erinnerten – und an seine Gespräche über Politik und Gesellschaft.
Er war ein Mann, der nicht aufgegeben hatte. Ein Mensch, der sich nach Würde und Normalität sehnte – und stattdessen einen grausamen Tod fand.
Bis heute, mehr als sieben Jahre nach der Tat, ist der Mord an Gerd Michael Straten nicht aufgeklärt.
Der Täter oder die Täter kennen den Ort, die Zeit und sein Leben.
Sie wussten, dass niemand eingreifen würde.
Dieser Fall ist Teil unserer Serie „Ungeklärt – Die offenen Fälle der Justiz“.
Weitere Episoden finden Sie in unserem Podcast-Feed – unter anderem über die Göhrde-Morde, den Mord in der Lucie und den Fall Reiner Koch.