Die Welt war wohl nie ein heiler Ort: Schon aus der Zeit der frühesten Zivilisationen sind Delikte wie Mord oder Diebstahl bekannt. Auch die Literatur griff solche Untaten bereits in der Antike auf. Gehört das Verbrechen also einfach zum Menschsein? So einfach ist die Sache nicht, das zeigt die Geschichte der Kriminalität: Die Taten, die begangen und geahndet werden, variieren je nach Zeit und Gesellschaft. Eigentumsdelikte zum Beispiel, die heute in der Kriminalstatistik dominieren, landeten bis ins 18. Jahrhundert nur selten vor Gericht.
Was steckt hinter solchen Entwicklungen, und was ist aus der Vergangenheit für den heutigen Umgang mit Kriminalität zu lernen? «NZZ Geschichte» spricht mit dem Kriminalitäts- und Strafrechtshistoriker Joachim Eibach und dem Literaturwissenschafter Manuel Bauer darüber, was Verbrechen über die Normen einer Gesellschaft aussagen – und wieso sie mit den Krimis jene Bücher prägen, die viele Menschen am liebsten lesen.
Darüber diskutieren Manuel Bauer, Literaturwissenschafter und Joachim Eibach, Historiker. Moderation: Claudia Mäder, Leiterin von NZZ Geschichte
Der Anlass fand in Zusammenarbeit mit NZZ Geschichte statt.
30 Jahre ist es her, dass die offene Drogenszene auf dem Zürcher Letten geräumt wurde. Damit endete ein kollektives Trauma, das auf dem Platzspitz begonnen hatte. Was haben Zürich und die Schweiz aus dieser Zeit gelernt, was lief damals schief, was letztlich gut?
Und wie sieht es heute aus angesichts der Crack- und Fentanyl-Krise, die gerade weltweit um sich greift? Die von globalen Krisen geprägte Weltlage fördert den Konsum von Suchtmitteln, während Drogen immer günstiger werden und leichter zu beschaffen sind. Hat es Zürich, wie einige postulieren, tatsächlich besser im Griff als andere europäische Städte? Oder stehen wir in der Schweiz doch vor der nächsten Katastrophe?
Darüber diskutieren André Seidenberg, ehemaliger «Platzspitz-Arzt» und Pionier der Schweizer Drogenpolitik, Michael Herzig, Historiker, Mitherausgeber des Buches «Die Schweiz auf Drogen» sowie langjähriger Drogenbeauftragter der Stadt Zürich und Julia Zutavern, die jahrelang für eine Serie zum Thema Zürcher Drogenpolitik recherchierte.
Der Anlass findet in Zusammenarbeit mit Einfach Zürich statt.
Früher gab es Musik für die Eliten und Musik fürs Volk. Dann rollte die Popkultur als Massenphänomen heran. Vinylplatte, Walkman, Sampler und Streaming legten den Boden für neue Produktions- und Verbreitungsverfahren. Von Rock bis Techno entstanden kommerziell höchst erfolgreiche Musikszenen, die alles durchdrangen – das politische Denken, die Kleidungsstile, die Lebensformen. Wie entstand diese globalisierte Konsumkultur?
Der Kulturjournalist Tobi Müller, der Historiker Erich Keller und die DJ Rosanna Grüter diskutieren über die gesellschaftliche Sprengkraft von Tonträgern und Tönen.
Moderation: Theresa Beyer, Leiterin Musikredaktion bei SRF Kultur
History Talks vom 1. April 2025
Historia magistra vitae – die Geschichte ist die Lehrmeisterin des Lebens. Diese Wendung zirkuliert seit der Antike, aber heute hat man Mühe, ihr etwas abzugewinnen: Dass die Menschen aus der Geschichte lernen, scheint in Zeiten von nicht enden wollenden Kriegen, neu erstarktem Autoritarismus und fortdauernder Umweltzerstörung wenig plausibel. Eher wirkt es, als würden die Menschen immer wieder dieselben Fehler machen. Zugleich ist nicht zu bestreiten, dass sich viele Dinge verbessert haben auf der Welt. Die Menschen haben durchaus gelernt: Krankheiten zu heilen, funktionierende Demokratien aufzubauen oder Frauen an die Urne zu lassen.
Was also lehrt uns die Geschichte? Gibt der Blick in die Vergangenheit Anlass, auf weiteren Fortschritt zu hoffen? Was ist Fortschritt eigentlich genau, und ist es überhaupt möglich, aus vergangenen Zeiten etwas Aussagekräftiges für Gegenwart und Zukunft abzuleiten? Die Historikerin Ute Frevert und der Historiker Caspar Hirschi wagen sich zum 10jährigen Jubiläum des Magazins «NZZ Geschichte» an diese ganz grossen Fragen.
Moderation: Claudia Mäder, Leiterin NZZ Geschichte und Daniel di Falco, Redaktor NZZ Geschichte
Ab Ende der 1960er Jahre begann die Schweiz, jugoslawische Arbeitskräfte in die Schweiz zu holen – die florierende Wirtschaft brauchte sie, und das liberale Ausreiseregime unter Tito begünstigte die Arbeitsmigration. Die Zahl der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nahm in den folgenden Jahrzehnten zu. Mit dem Ausbruch des Kriegs Anfang der 1990er Jahre kamen auch zahlreiche Flüchtende dazu. Um die Jahrtausendwende machten die Personen aus Ex-Jugoslawien fast einen Viertel der ausländischen Wohnbevölkerung der Schweiz aus.
Heute bilden Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien eine der grössten Ausländergruppen in der Schweiz. Viele der Ausgewanderten und vor allem ihre Kinder sind integrale Mitglieder des Schweizer Sozialgefüges. Lange aber wurden Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien als Fremd betitelt und stiessen so auf Ablehnung innerhalb der Gesellschaft.
Der Historiker Damir Skenderovic und die Soziologin Sandra King-Savic sprechen über die Schweizer Migrations- und Asylpolitik, die Lage der Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die Vorurteile, die ihnen entgegengebracht wurden sowie die Frage nach den Folgen des Krieges auf die ex-jugoslawische Diaspora.
Moderation: Inés Mateos, Expertin für Bildung und Diversität
Historikerinnen und Historiker arbeiten mit Quellen und fragen, wie unlängst Jakob Tanner am Deutschen Historikertag, nach der «Fabrikation von Fakten». Schriftstellerinnen wie Melinda Nadj Abonji hingegen beziehen Fakten ein, um Fiktion zu schaffen. Und oft werden historische Romane als faktisch wahr gelesen.
Beide produzieren Narrative und pflegen dabei ihren je eigenen Umgang mit Fakten. Wie aber unterscheiden sich ihre jeweiligen Texte? Und was steht für Geschichte und Literatur auf dem Spiel, wenn in Politik und Medien von «alternativen Fakten» und fiktiven «News» die Rede ist?
Moderation: Erika Hebeisen, Historikerin und Kuratorin im Schweizerischen Nationalmuseum
Heiraten wollte die Schweiz nicht. Aber trennen wollte sie sich auch nicht: Vor 25 Jahren unterzeichnete sie die ersten Bilateralen Verträge mit der EU. Seither ist ein ausgeklügeltes Regelwerk entstanden. Ist es noch tragfähig? Und wohin führt die Reise?
Die Rechtswissenschaftlerin Astrid Epiney und der Historiker Thomas Maissen ziehen Bilanz und diskutieren Chancen und Risiken des bilateralen Wegs. Sie fühlen einer Schweiz den Puls, die nicht zum ersten Mal zwischen Souveränität und Teilhabe schwankt.
Moderation: Peer Teuwsen, Redaktionsleiter Kultur der «NZZ am Sonntag»
Wer Macht hat, kann Unheil stiften und tief fallen: Topmanagerinnen und Topmanager fahren Banken an die Wand, einst demokratisch gewählte Politikerinnen und Politiker bauen Staaten zu Autokratien um oder zetteln Kriege an. Doch es gibt auch jene, die bewusst auf Macht verzichten.
Katharina von Zimmern, die letzte Äbtissin des Fraumünsterklosters und damit faktisch Herrin über Zürich, übergab die Abtei während der Reformation der Stadt – und verhinderte damit vielleicht einen Bürgerkrieg. Was bewog sie dazu? Und wieso halten andere an der Macht fest?
Die Historikerin Caroline Arni, der Soziologe Ueli Mäder und der Neuropsychologe Lutz Jäncke diskutieren darüber, was Macht mit Menschen macht – und was Menschen mit Macht machen. Wir fragen, warum es überhaupt Macht gibt, wer sie ausübt, wo sie produktiv ist und unter welchen Umständen sie toxisch wird.
Moderation: Lea Haller
In Kooperation mit Einfach Zürich. Im Rahmen des Jubiläums «500 Jahre Katharina von Zimmern».
Autokraten sitzen fest im Sattel. In den USA kandidiert Donald Trump erneut für die Präsidentschaft. Die Europäische Union kämpft mit multiplen Krisen. Und in der Schweiz bröckelt das Selbstverständnis einer unantastbaren Insel der Glückseligen. Taugen die Versprechen der Demokratie noch für die Zukunft?
Die Historikerin Brigitte Studer und der Publizist Roger de Weck diskutieren darüber, was eine funktionierende Demokratie ausmacht, wen sie ermächtigt, wie sie sich im Lauf der Zeit verändert hat und wieso es nicht nur demokratische Institutionen braucht, sondern auch eine demokratische Kultur.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Waren, Dienstleistungen und Menschen bewegen sich in hoher Frequenz von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Sind Grenzen damit unwichtig geworden? Das Gegenteil ist der Fall. Auch wenn man das Ein- und Aussortieren heute oft nicht mehr wahrnimmt, weil es digital oder in entfernten Gegenden passiert: Grenzkontrollen sind eine Obsession der Moderne.
Der Historiker André Holenstein und die Geografin Judith Miggelbrink diskutieren über Schmuggel, Flucht und regionale Wirtschaftsräume, über Kosmopolitismus und nationale Identität.
Die Schweiz gilt als Steueroase par excellence. Das Bankgeheimnis, politische Stabilität und niedrige Unternehmenssteuern locken seit langem ausländisches Kapital an. Wie kam es dazu? Wer kopierte das Modell? Und was hat das Steuerzahlen mit Recht und Moral zu tun?
Die Historikerin Korinna Schönhärl und der Historiker Tobias Straumann erläutern im Gespräch, wann die Steuerflucht aufkam, wie die Offshore-Industrie funktioniert und weshalb sie trotz Gegenmassnahmen bis heute nicht verschwunden ist.
Moderation: Lea Haller, Generalsekretärin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Wir denken mit dem Kopf. Aber wir arbeiten, schlafen, lieben, gebären und sterben mit dem Körper. Hat dieser Körper eine Geschichte? Wie dachte man im Mittelalter über ihn, wie in der Moderne? Was erwartete man vom männlichen und vom weiblichen Körper, wie normierte man ihn – und was muss dieser Körper heute leisten?
Die Historikerin Caroline Arni und der Historiker Valentin Groebner diskutieren über Sex, Leichen und Tattoos, über Regeln und Regelverletzungen – über ein Leben, das ohne Körper nicht denkbar ist.
History Talks vom 5. März 2024
Historische Biografien haben Konjunktur, das geschriebene Leben fasziniert. Aber welche Lebensgeschichten sind überhaupt erzählbar? Und wie geht man mit der Geschichte um, wenn man das Leben der eigenen Familie rekonstruiert?
Die Historikerin und Kulturvermittlerin Lina Gafner und der Autor und Regisseur Gabriel Heim diskutieren über Vatersuche, Frauengeschichten und die Kraft von Lebensgeschichten im Spannungsfeld zwischen historischer Wahrheit und wahrhaftiger Fiktion.
Die Praesens-Film AG ist die älteste noch bestehende Filmgesellschaft der Schweiz. 1924 gegründet, feiert sie ihre grössten Erfolge von den 1930er- bis in die 1950er-Jahre. Lange Zeit dominiert sie den Markt und ist in der Schweizer Spielfilmproduktion beinahe konkurrenzlos. Schlüssel zum Erfolg sind eine gut eingespielte und über lange Zeit konstante Equipe sowie das feine Gespür für diejenigen Geschichten, die beim Kinopublikum ankommen. Nationale und internationale Grosserfolge wie Füsilier Wipf, Marie-Louise oder Heidi sind ein Spiegel von Zeit, Politik und Gesellschaft. Mit der Audiogeschichte zu «Close-up. Eine Schweizer Filmgeschichte» tauchen Sie ein in filmreife Vorfälle und Anekdoten, die immer wieder erzählt und über die Jahre teils mit einer Prise Fantasie ausgeschmückt worden sind. Vorhang auf fürs Kino im Ohr!
Die Sprachen, die wir sprechen, prägen uns. Sie verraten, woher wir kommen und wo wir gelebt haben. Sie erzählen einen Teil unserer eigenen Geschichte. Sprachen sind Teil von Kultur und Gesellschaft, sie wirken gleichzeitig einschliessend und ausgrenzend. Inwiefern schaffen sie Identität? Was bedeutet die Mehrsprachigkeit in der Schweiz und was macht sie mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern? Welche Rolle spielen dabei neben den Landessprachen auch die Dialekte oder die Jugend- und Migrationssprachen?
Die Schriftstellerin und literarische Übersetzerin Zsuzsanna Gahse und der Kulturwissenschaftler Walter Leimgruber reflektieren im Gespräch mit der Journalistin Nicoletta Cimmino über die Kraft der Mehrsprachigkeit.
Während des Kalten Krieges baute die Schweiz die staatliche Überwachungstätigkeit stark aus und sammelte Daten über hunderttausende von Personen. Die Aufdeckung des Fichenskandals Ende der 1990er-Jahre entrüstete die Schweizer Öffentlichkeit. Verglichen mit dem «Datenhunger» heutiger Staaten und Unternehmen, wirken die damals angelegten Akten beinahe harmlos. Was bedeutet es für einen Menschen, wenn Daten über ihn gesammelt werden? Über diese zentralen Fragen diskutieren der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer und die Geschichtsprofessorin Monika Dommann.
Der Kaufmann Hermann Amann handelte mit Kosmetikgeräten. 1981 klingelte beim ihm das Telefon, jemand aus der sowjetischen Botschaft bestellte ein Enthaarungsgerät. Dieser Anruf machte Hermann Amann für die Schweiz zum Verdächtigen – der Geheimdienst legte eine Fiche an. Als der Kaufmann von seiner Überwachung erfährt, prozessiert er und geht bis vor den Gerichtshof für Menschenrechte. Sein Anwalt, Ludwig Minelli, berichtet in dieser Podcast Folge zur Ausstellung «Zum Geburtstag viel Recht. 175 Jahre Bundesverfassung» von diesem Fall.
Früher verloren Schweizer Frauen ihr Bürgerrecht, wenn sie einen Ausländer heirateten. Diese sogenannte Heiratsregel galt bis 1952. Davon betroffen war auch die Grossmutter von Marc Schumacher. Er erzählt in dieser Episode des Podcasts zur Ausstellung «Zum Geburtstag viel Recht. 175 Jahre Bundesverfassung» von seiner bewegten Familien-Geschichte um die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Wie steht es um die Frauenrechte in der Schweiz? Die Journalistin und Autorin Nina Kunz und die Politikerin und ehemalige Direktorin des Migros-Genossenschafts-Bunds, Monika Weber, ziehen Bilanz und wagen einen Blick in die Zukunft.
1971, zwei Monate nach Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts, wurde Monika Weber in den Zürcher Kantonsrat gewählt. Bei der Bundesratswahl 1989 kandidierte sie als einzige Frau für die Nachfolge von Elisabeth Kopp. Vier Jahre später wurde Nina Kunz geboren. 50 Jahre liegen zwischen den beiden Frauen. Das sind Welten und doch stehen sie für das Gleiche ein: Das Recht auf Gleichstellung. Was hat sich verändert in dieser Zeit? Was wurde erreicht? Was muss für eine geschlechtergerechte Gesellschaft noch gemacht werden?
Barock ist mehr als eine Frage des Stils. Die Epoche zwischen 1580 und 1780 ist ein Zeitalter der Kontraste: Opulenz und Innovation auf der einen, Tod und Krisen auf der anderen Seite. In dieser vielgestaltigen Epoche werden Grundsteine unserer modernen Welt gelegt. Wie sehr wirkt sich diese Zeit heute noch auf uns aus? Welche Parallelen lassen sich zwischen dem Barock und dem Jetzt ziehen? Zehn Jahre nach ihrem Gespräch im Rahmen der «Sternstunde Philosophie» diskutieren Bice Curiger und Werner Oechslin zusammen mit Juri Steiner über die Kraft des Barock und die Unfassbarkeit dieses ersten globalen Stils.